Das Hamsterrad und was es mit uns macht

Ich habe vor ca. 1.5 Jahren einen Text geschrieben über das Hamsterrad des Konsums und Arbeitens auf meinem damaligen Blog. Nun habe ich ihn wiedergefunden und empfinde ihn immer noch als wichtig und richtig. Deshalb „recycle“ ich ihn hier für euch.

Inzwischen arbeite ich als selbstständige Ernährungsberaterin, Frauenbegleiterin und Doula. Ich arbeite wie es für mich und meine Familie passt, ich bin glücklich mit meinem Leben, mit meiner Arbeit. So glücklich, wie ich es noch nie war. Trotzdem ich ab und zu auch abends und am Wochenende arbeiten muss/darf. Aber ich konsumiere deutlich weniger. Koche viel frisch. Kaufe Lebensmittel in Bio-Qualität und Kleidung wenn möglich fair oder Second Hand.

Viel Spass mit meinem Text, der gerade jetzt zu Corona-Zeiten vielleicht aktueller ist, denn je.

„Heute morgen hab ich eine sehr interessante Frau getroffen.

Ich saß auf einem Stuhl auf einem belebten Platz hier in Rostock. Ich hatte meine heiße Tasse Kaffee in der Hand und es war kalt. Ich trank ihn und träumte vor mich hin als plötzlich eine Frau aus dem Café kam und sich hinter mich setzte. Sie meinte, dass sie ein Gewohnheitstier ist und wenn möglich immer dort sitzt und ich mich nicht gestört fühlen soll. Daraufhin kamen wir in ein wunderbares, inspirierendes und langes Gespräch. Es ging um Kinder, um die Arbeit und MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction).

Die MBSR Kurse die wir bei unterschiedlichen Lehrern und zu unterschiedlichen Zeiten besucht haben, haben uns an diesem Morgen dorthin geführt – in dieses Café.

Was ist MBSR?

In MBSR (Mindful Based Stress Reduction) Kursen lernt man, achtsam zu leben und zu handeln. Zu erfühlen, was einem gut tut und was benötigt wird, um sich gut zu fühlen. Bei ihr hat der MBSR Kurs dazu geführt, ab und zu morgens früher aufzustehen und in diesem Café Ihren Morgen zu verbringen, mit Blick auf diesen belebten Platz, in Ruhe. Bei mir hat es dazu geführt, dass ich meinen Job hinter mir gelassen habe, weil er mir nicht gut getan hat. Nun habe ich zum ersten Mal seit der Elternzeit die Möglichkeit – die Ruhe – mich morgens dorthin zusetzen und ebenfalls meinen Kaffee zu genießen. Dabei beobachte ich die anderen, fremden Menschen und fühle mich gut dabei, diese Auszeit zu haben.

Jeder Tag wie im Hamsterrad

Früher verlief jeder Tag ähnlich – aufstehen, die Kinder wegbringen, arbeiten, einkaufen, Kinder abholen, Spielplatz/Garten besuchen, Abendessen und Kinder ins Bett bringen. Ein Kreislauf, der mich auf Dauer nicht glücklich gemacht hat, bis mir vor einigen Monaten aufgefallen ist, dass dieser Kreislauf das berühmt berüchtigte Hamsterrad ist, aus dem wir nicht herauskönnen oder wollen.

Was meine ich mit Hamsterrad?

Ein gutes Beispiel ist ein kaputter Fahrradreifen: Ich bringe das Fahrrad zu einer Werkstatt, um den Reifen zu wechseln, weil ich selbst dafür sehr lange brauche. Ich erkaufe mir also Zeit. Zeit die ich zum Arbeiten nutze, um die Reparatur des Reifens bezahlen zu können. Gewonnen habe ich nichts. Wenn ich nicht arbeiten würde oder nur reduziert, dafür aber vieles selbst mache (alles was mir möglich ist zu mindestens) und weniger kaufe, würde ich Geld sparen und wir kämen trotzdem gut über die Runden. Und ich entscheide dazu auch noch was ich z.B. bei Lebensmitteln an Gewürzen und Zutaten hineingebe (das ist bei Allergikern eh zwingend nötig). Dadurch gewinne ich Zeit, weil viele Sachen gar nicht so aufwendig sind, wie wir denken. Zum Beispiel gekaufter Hummus kostet zwischen 3 und 5€, wenn ich ihn selbst mache kostet das Glas ca. 1€. Aber ich mache gleich mehrere und friere sie ein. Das dauert ca. 130 Minuten – ohne Einweichen, aber mit Aufkochen was 2h dauert (da muss ich nicht zwingend die ganze Zeit in der Küche bleiben). Wenn man 2x in der Woche Hummus kauft, summiert sich das natürlich und ich spare am Ende. Das ist nicht nur beim Essen so, sondern auch bei Kosmetika und Putzmitteln.

Auch wer eine Haushaltskraft bezahlt ist in diesem Kreislauf. Wir erkaufen uns diese Mehr-Zeit (die wir nicht mit Aufräumen verbringen müssen), mit Geld welches wir erarbeiten müssen. Durch die Arbeit sind wir dauergestresst und nutzen die „Frei“-Zeit die wir uns erkauft haben nicht sinnvoll. Stattdesseb sind wir permanent unter Druck, gestresst und schlecht gelaunt.

Wenn wir also weniger konsumieren, können wir mehr Zeit mit wirklich wichtigen Dingen verbringen. Mit Freunden, unserer Familie, unseren Hobbies oder auch einfach nur mit uns. Zeit mit uns selbst ist so kostbar und wertvoll, weil wir zur Ruhe kommen können, entspannter mit anderen sind und uns so akzeptieren können wie wir sind.

Diese Momente, die einem großes Glück bescheren, passieren nicht während der Arbeit, sondern mit meinen Freunden und meiner Familie.

Ist Sicherheit wirklich das Wichtigste?

Ich bin lange durch die Welt gegangen, mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass Sicherheit wichtig ist, vielleicht sogar das Wichtigste! Und das Geld mir diese Sicherheit gibt. Dieser Gedanke war/ist tief in mir verwurzelt. Einerseits durch meine Kindheit, in der ich oft das Gefühl hatte aufgrund von fehlendem Geld eingeschränkt zu sein. Andererseits durch meine Erziehung, in der es oft darum ging, dass man ohne finanzielle Absicherung nicht glücklich sein könnte. Und nur mit der richtigen Berufswahl später eine finanziell gute Situation möglich ist (Berufe, die „scheinbar“ nicht genug Geld bringen, waren keine Option, z.B. Modedesign, Kunstgeschichte, Ausbildungsberufe).

Später dann, mit zwei kleinen Kindern war finanzielle Sicherheit gleich doppelt so wichtig für mich. Lange Zeit habe ich mehr Geld als mein Mann verdient, wodurch auch viel Druck auf mir lag, nicht reduzieren zu können. Dieser Gedanke war übrigens Hausgemacht. Mein Mann hat mir das niemals suggeriert. Aber wie gesagt, der Gedanke ist tief verwurzelt. Dann zum ersten Mal seit unserer Familiengründung verdiente er fast so viel wie ich. Mein Verlangen meine berufliche Situation zu verändern wurde immer größer. Und mir wurde zum ersten Mal klar, dass ich in diesem Hamsterrad steckte. Und so bin ich ausgebrochen nach langem Überlegen, gut Zureden meines Mannes („Egal was passiert, solange wir zusammen sind, ist alles gut!“) und sehr viel Mut.

Meine Familie ist das wichtigste für mich!

Klar brauchen wir Geld, aber vor allem brauchen wir Liebe, Zeit und Achtsamkeit.

Ich sage nicht, das Geld nicht wichtig ist in unserer Welt, aber wir sollten wieder zu uns finden und Arbeiten und Konsum nicht dafür nutzen, uns abzulenken von wirklich wichtigen Dingen.

Eins der Dinge die Sterbende/Schwerkranke regelmäßig bereuen, ist zu wenig Zeit mit der Familie und Freunden verbracht zu haben.

Die Arbeit wird sich nicht an uns erinnern, unsere Lieben aber schon!