Wie wirken Schmerzenmittel auf deine Geburt?

Immer weniger Geburten finden ohne Schmerzmittel auf natürliche Art und Weise statt. Allein jede vierte Frau erhält eine PDA, andere Schmerzmittel sind in dieser Statistik noch nicht enthalten. Komplikationen wie Kaiserschnitte (jede 3. Frau) könnten die Folge sein. Da stellt sich die Frage, welche Schmerzmittel gibt es und welche Auswirkungen haben sie auf die Frau, auf das Baby und natürlich auch auf den Geburtsprozess. In diesem ersten Teil behandel ich das generelle Schmerzempfinden unter der Geburt und wie sich Schmerzmittel auf die Geburt – bei Reduzierung der Schmerzen – auswirken. Der nächste Beitrag wird dann die möglichen Schmerzmittel aufzeigen, sowie Alternativen dazu.

Schmerzempfinden unter der Geburt

Schmerzempfinden unter der Geburt ist von Frau zu Frau unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab. Es ist individuell und situationsbedingt. Es hängt unter anderem von den Ängsten der Gebärenden ab. Aber auch die persönliche Situation, die Statur und vorher erlebte Geburtstrauma spielen in das Schmerzempfinden mit hinein.

Schon im Jahr 1979 hat Dr. Manfred Stauber im deutschen Ärzteblatt aufgeführt, dass „die Schmerzreaktion in starkem Maße von der emotionellen Verfassung der Gebärenden mitbestimmt wird. […] Die ängstlich gespannte Gebärende zeigt eine Steigerung der Schmerzempfindung […].“ [M. Stauber, 1979]. Schon damals hatte man bei 75-96% durch Methoden mit dem Schwerpunkt auf Aufklärung, gymnastischen, atemtechnischen, lerntheoretischen und autosuggestiven Hilfen Erfolg bei der Schmerzreduktion. Auch heute gibt es Maßnahmen, um die Geburtsschmerzen auszuhalten ohne Schmerzmittel, wie Atmung, Hypnose, Bewegung, Baden, etc. Weitere alternative Maßnahmen zur Schmerzlinderung finden sie im Kapitel „Auswahl an bekannten Alternativen – Funktionsweisen?“

Interessant ist auch, dass inzwischen bekannt ist, dass es eine Genvariante gibt, die den Gebärschmerz lindert. Das heißt, dass dieses Gen eine weitgehende schmerzfreies Gebären ermöglicht. Dieses Gen findet sich bei 1 von 100 Frauen. Das bedeutet, dass neben kulturellen, sozialen und persönlichen auch genetische Gründe für, bzw. gegen eine schmerzlindernde Therapie sprechen.

Wie entsteht Schmerz?

Der Schmerz wird registriert, z.B. durch Druck, Dehnung, einen Riss, Ischämie oder durch Nozirezeptoren. Der Schmerz wird weitergeleitet über schnell oder langsame Fasern zu den Hinterhörnern des Rückenmarks und von da weiter an Großhirn, das limbische System, den Hypothalamus und den Hirnstamm. Erst durch die Schmerzverarbeitung im Sinne einer kognitiven, emotionalen und sensorischen Bewertung und deren Reaktion an diesen Stellen kommt es zu einer Schmerzwahrnehmung. [C. Ahrendt, 2010]

Ist Schmerz unter der Geburt sinnvoll?

Der Schmerz unter der Geburt hat viele sinnvolle Eigenschaften, die in der heutigen Wohlstandsgesellschaft als überflüssig gelten. Dafür nimmt der Kaiserschnitt überhand, er scheint die saubere, schmerzlose und mühelose Geburt zu sein. „Eine schwangere Frau heute muss den Schmerz wählen, wenn sie eine physiologische Geburt haben will und das ist natürlich sehr schwierig, sich dafür bewusst zu entscheiden und ihn aktiv anzunehmen. Häufig ist die Haltung der Frauen zurückhaltend oder in Verteidigung. Die innere Haltung der Frau wirkt sich aber auf den Körper und auf das ganze Geburtsgeschehen aus. Eine angstvolle, zurückhaltende Haltung bewirkt Isolierung, Unverständnis, keine Motivierung, Spannung, Verkrampfung, Starre, Bewegungslosigkeit, Zurückschalten, hohe Niveaus von Katekolaminen, Distress (hemmender Stress) und führt schließlich zur Dystokie. Eine motivierte, akzeptierende Haltung bewirkt hingegen Unterstützung, Verständnis, Motivierung, Entspannung, Rhythmus, Ausdruck, anregenden Stress und fördert die Eutokie.

Eine spezifische Funktion in der physiologischen Schmerzbearbeitung regelt den Körper auf Grund der affektiven Motivierung: die affektive-motivierende Dimension des Geburtsschmerzes. Sie hängt vom limbischen und vom retikulären System ab, ist mit allen anderen Systemen des Gehirns verbunden, erregt die sensorischen, motorischen, neurovegetativen und extrapyramidalen Bahnen an und reagiert mit Spannung oder Entspannung je nach Gefühls-Reaktion auf den Schmerz (Akzeptanz, Lust, Angst, Verweigerung). Sie kann somit den Schmerz erhöhen oder vermindern. “ Verena Schmid (Hebamme und Direktorin der Scuola Elementale di Arte Ostetrica, Florenz) Danach ist der Schmerz nicht nur notwendig, sondern unterstützt den Geburtsprozess auch. Der Schmerz schützt Frau und Kind vor Schaden und führt sicher durch die Geburt.

„Wir können grundsätzlich vier verschiedene Ebenen benennen, auf welchen die Geburtsschmerz eine Funktion ausübt: die körperliche Ebene, die psychische Ebene, die energetische Ebene und die affektive Ebene oder Beziehungsebene.“ [V. Schmid, 1998]

Schmerzmittel und deren Einfluss auf die Geburt?

Entsprechend des letzten Kapitels ist Schmerz durchaus sinnvoll und unterstützt die sichere Geburt. Aber die Gebärenden müssen sich in einer Welt der Schmerzmittel & PDA aktiv für den Schmerz entscheiden. Das ist nicht einfach, bringt aber viele Vorteile.

Welchen Einfluss haben dann aber Schmerzmittel unter der Geburt? Zuerst werde ich darauf eingehen, was im Körper passiert, wenn der Schmerz unterbunden wird. Im nächsten Beitrag auf die Schmerzmittel an sich.

Oxytocin als Folge des Schmerzes

Oxytocin ist das Schwangerschafts- bzw. Geburtshormon. Es wird am Ende der Schwangerschaft direkt vom Kind produziert durch die hormonellen Veränderungen, aber auch durch die Stimulation des Gebärmutterhalses durch seine aktive Bewegung. Um in regelmäßige, konstante und effektive Kontraktionen zu gelangen wird eine steigende Oxytocinproduktion benötigt. Dies geschieht durch den Wehenschmerz. Der Schmerz führt zu der Ausschüttung von Katecholaminen welche zu einer Oxytozin Ausschüttung führen und zu einer Produktion von Endorphinen. Das löst eine starke Kontraktionsfähigkeit aus, aber auch eine steigende Schmerztoleranz. Die Pause zwischen den Wehen ist dabei sehr wichtig, weil es sonst zu Geburtsstillständen und einer verringerten Oxytocinproduktion kommt. Das Wichtige für das Ertragen des Geburtsschmerzes sind also die Pausen zwischen den Wehen. Die Endorphine werden ausgeschüttet, wenn Katekolamine da sind aufgrund von Stress, sie werden mit dem ACTH-Peak ausgeschüttet und sie werden vom Oxytocin & dem Parasympathikus angeregt. Die Endorphine sind nicht nur zur Schmerzlinderung da, sonder auch für eine Bewusstseinserweiterung und einen trance-ähnlichen Zustand in der fortgeschrittenen Eröffnungsphase inkl. der Hemmung des Neokortex. [V. Schmid, 1998]

Wenn nun Schmerzmittel gegeben werden, können all diese Hilfsstoffe entweder gar nicht oder nur gering gebildet werden. Man unterbindet also mit der Schmerzmittelgabe, dass der Körper auf natürliche Weise seine Schmerztoleranz anheben kann.

Zudem wird im schlimmsten Fall der Neokortex nicht gehemmt, was zu Geburtsstillständen und anderen Geburtsproblemen kommen kann. Die Stimulierung des Neokortex durch Kälte, Sprache, Licht oder auch Schmerzmittel ist das komplette Gegenteil einer natürlichen Geburt. [M. Odent, 2016]

Schmerz als Schutz für Mama und Baby

Der Schmerz ist auch ein Führer durch die Geburt für Mutter und Kind. „Die physiologische Funktion des Schmerzes ist es, den Körper vor Schäden zu bewahren, indem er im Falle eines Angriffes ein Alarmsignal entsendet, damit der Angegriffene handeln kann, um sich dem Angriff zu entziehen. Schmerz macht folglich aktiv!“ [V. Schmid, 1998]

Das bedeutet, dass die Frau sehr deutlich merkt, wenn sich der Schmerz verändert. Meist haben bewusste Gebärende eine gute Körperwahrnehmung und können schon anhand des Schmerzes erkennen, ob sie in einer Notsituation sind oder nicht. Außerdem zeigt der weibliche Körper sehr genau, welche Bewegung ihm gerade gut tut und der Geburt nutzen kann.

Bei der Verwendung von Schmerzmitteln liegen Frauen meist nur und gehen nicht in ihre natürliche Bewegung, um das Baby frei zu geben. „Die passende Bewegung während der Geburt ist der „Angriff“, das Entgegengehen, sich öffnen lassen, das Kind gehen lassen. Bei Fluchtverhalten verschließt sich die Frau, zieht sich zurück, hält das Kind in sich, ein Geburtsfortschritt wird unmöglich.“ [V. Schmid, 1998]

Auch bei der Austreibungsphase ist der Schmerz ein gutes Indiz wie weit die Scheide angespannt werden kann und wo die Grenze liegt. So können Geburtsschäden durch ein vorsichtiges Atmen und Schieben vorgebeugt werden. „Der „Feuerring“ der Krönung bewirkt den Fetus ejecton reflex, der meistens vor Rissen schützt. Der Schmerz orientiert die Frau auch, sie kann fühlen, wo das Kind ist und wie sich die Geburt nähert.“ [V. Schmid, 1998]

Frauen unter Schmerzmitteln spüren diesen regulierenden Schmerz nicht mehr. So kommt es häufig zu vaginalen Verletzungen unter der Geburt.

Der Schmerz als Teil der Trennung vom Baby

Der Schmerz ist ebenfalls ein Ausdruck der Trennung zum Kind. „Eines der stärksten Gefühle während der Geburt ist die Notwendigkeit, sich vom Kind zu trennen. Von einem Kind, das gleichzeitig ein eigenständiger Mensch und ein Bestandteil der Frau selbst, ihres tiefsten Teils ist.
Erträumtes Kind, phantastisches Kind, reales Kind.“ [V. Schmid, 1998] Die Trennung vom Kind ist ein wichtiger Prozess und der Schmerz bereitet den Weg. Trennung tut immer weh, aber durch den Schmerz wird die Frau gezwungen, diesen Prozess intensiv zu gehen.

Wenn dies nun durch Schmerzmittel genommen wird, welche Auswirkung hat das auf die Mutter-Kind-Beziehung? Das sind Themen, die noch nicht weiter untersucht worden. Durch eine gute Vorbereitung von der Mutter, z.B. mit einem guten Aufbau der Mutter-Kind-Beziehung kann die Geburt schneller verlaufen und weniger schmerzhaft sein, auch ohne Schmerzmittel.

Der Schmerz ist auch ein Teil des persönlichen Umwandlungsprozesses der Gebärenden. Sich der Angst und den Schmerzen über Stunden zu stellen, kann die persönliche Stärke auf die Probe stellen. Schmerz mobilisiert die emotionale Fähigkeiten der Frau, entfacht alte Schmerzherde der persönlichen Lebensgeschichte die unterbewusst gespeichert sind. Der Schmerz bringt die Frau an ihre körperlichen und emotionalen Grenzen. Durch das Kapitulieren kommt es zur vollkommenen Hingabe und ermöglicht nicht nur das Hemmen des Neokortex, sondern auch das im Fluss sein und das Hervorbringen unbekannter Ressourcen, womit die persönliche Kraft der Frau gesteigert wird. Dies steht für Reife und ist nötig um die Elternrolle einzunehmen. [V. Schmid, 1998]

Durch Schmerzmittel wird wie gesagt der Neokortex nicht ausreichend gehemmt, der Fluss der Geburt und das Erkennen der eigenen Stärke nicht erreicht. Frauen z.B. mit Kaiserschnitten haben ein höheres Risiko an postpartaler Depression zu erkranken als Frauen, die natürlich entbunden haben. [M. Ilska, et al, 2020]

Zusammenfassung: Wie wirken Schmerzmittel auf die Geburt?

Schmerz ist ein essentieller Teil der Geburt und gehört maßgeblich zu dem Prozess der Geburt [V. Schmid, 1998]. Daher sollte überlegt werden, ob in Zukunft nicht deutlich sensibler und zurückhaltender mit dem Thema unter der Geburt umgegangen wird und stattdessen eher Frauen schon in der Schwangerschaft geholfen wird, sich und ihrem Körper zu vertrauen und entsprechende Übungen zu erlernen. Auch sollten in der Schwangerschaft schon bestehende Ängste und alte familiäre Faktoren bearbeitet werden, damit sie unter der Geburt nicht zu Problemen führen.

Quellen

[M. Stauber, 1979] Manfred Stauber, Psychosomatische Aspekte in der Geburtshilfe; Berlin, 1979, Deutsches Ärzteblatt

[J. Windeler, 2021 a] Prof. Dr. med. Jürgen Windeler; Mit Geburtsschmerzen umgehen Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, 2021, https://www.gesundheitsinformation.de/mit-geburtsschmerzen-umgehen.html

[J. Windeler, 2021 b] Prof. Dr. med. Jürgen Windeler, Periduralanästhesie (PDA) und Schmerzmittel zur Linderung von Geburtsschmerzen; Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, 2021, URL: https://www.gesundheitsinformation.de/periduralanaesthesie-pda-und-schmerzmittel-zur-linderung-von-geburtsschmerzen.html

[C. Ahrendt, 2010] Cordula Ahrendt; Beratungsleitfaden zum Thema Geburtsschmerz; Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, 2010

[V. Schmid, 1998] Verena Schmid; Geburtsschmerz, 1998, URL: www.hebammenzentrum.at/geburtsschmerz1

[M. Odent 2016] Michel Odent, Geburt und Stillen, C.H.Beck, 2016

[M. Ilska, et al, 2020] Ilska M, Banas E, Gregor K, Brandt-Salmeri A, Ilski A, Cnota W: Vaginal delivery or caesarean section – Severity of early symptoms of postpartum depression and assessment of pain in Polish women in the early puerperium. Midwifery 2020. 87, 102731. doi: https://doi.org/10.1016/j.midw.2020.102731 · DHZ

[OAA, 2008] Möglichkeiten der Schmerzlinderung vor und bei der Geburt Ihres Kindes; Obstetric Anaesthetists ́ Association 2008 URL: https://www.oaa-anaes.ac.uk/assets/_managed/editor/File/Info%20for%20Mothers/PR_leaflets/3ed_pr_german.pdf